Die Bürgerbeteiligung: ein Mittel zur Reduzierung von Konflikten
Am 7. Januar dieses Jahres hat das Büro WW+ (Architektur – Prozessdesign – Städtebau) aus Esch-sur- Alzette sein 20-jähriges Jubiläum gefeiert. Die beiden Gründer und Geschäftsführer Luc Wagner und Jörg Weber betonen, das Büro unterscheide sich im Leistungsspektrum nicht so sehr von ihren Konkurrenten, wohl aber in der Art, wie sie an die Planungsaufgaben herangehen. Dabei wird viel Wert auf Dialog und Verständnis im Umgang mit Interessengruppen, Geschäfts- und Planungspartnern gelegt. Marc Hillesheim, verantwortlich für den Bereich Prozessdesign und Projektentwicklung, erklärt zusammen mit den beiden Geschäftsführern.
Wie ist Ihr Büro entstanden?
JW: Luc und ich haben vor 25 Jahren beim gleichen Unternehmen in Esch-sur-Alzette gearbeitet. Daraufhin haben wir unser eigenes Büro gegründet. Daher die Bezeichnung „WW+“, wobei W jeweils für unsere Nachnamen steht und das + für unser gesamtes Team. Wir zählen derzeit ca. 75 Mitarbeiter aus 13 verschiedenen Ländern, und sind interdisziplinär aufgestellt. Unser Team besteht vor allem aus Architekten, Innenarchitekten, Stadtplanern und Landschaftsplanern
LW: Wir bearbeiten drei Geschäftsfelder. Dabei handelt es sich erstens um den Bereich Architektur und Innenarchitektur. Das Zweite ist der Bereich Städtebau, in dem wir vor allem Bebauungs- und Entwicklungspläne für Stadt- und Dorfzentren erstellen. Einige Beispiele sind Esch-sur-Alzette, Contern, Bettemburg und Leudelingen. Unser dritter Bereich ist das Prozessdesign, wo die Projektentwicklung, die Prozessbegleitung, das Projektmanagement sowie strategische Kommunikation & Partizipationsprozesse im Bereich der Gemeinde- und Stadtentwicklung im Vordergrund stehen.
Gelungene Partizipation hilft Konflikte zu vermeiden, bestmögliche Lösungen zu erarbeiten und das kreative Potential der Menschen vor Ort einzubeziehen
Unsere Besonderheit ist hier vor allem die Art und Weise, wie wir arbeiten. Wichtiger Bestandteil ist dabei die Partizipation. Das bedeutet für uns, dass wir jeden, der in den Planungsprozess involviert ist, partnerschaftlich und auf Augenhöhe miteinbeziehen. Diese Herangehensweise ermöglicht es uns, in der Regel schneller im Planungsprozess voranzuschreiten und ein angenehmes Miteinander zu schaffen. Wir sehen es als ein Unterscheidungsmerkmal zu vielen anderen.
MH: Als Stadt- und Regionalplaner unterstütze ich seit ca. 10 Jahren in meiner Funktion als Abteilungsleiter die Geschäftsführer. Ich bin verantwortlich für den Bereich Prozessdesign und Projektentwicklung und seit 2022, genauso wie Luc Wagner, vom Wohnungsbauministerium zugelassener Wohnungsbauberater (Conseiller Logement).
Sie haben seit kurzem auch ein Büro in Wasserbillig. Warum haben Sie sich dort niedergelassen?
JW: Wir hatten eine Zeit lang ein zweites Büro in Trier. Wir haben dort an vielen internationalen Wettbewerbsverfahren teilgenommen. Diese Aktivität haben wir in den letzten Jahren schrittweise zurückgefahren. Dazu kam, dass Esch-sur-Alzette sich mit seinen langen Anfahrten zunehmend als schwierig erwies, um neue Mitarbeiter aus dem Großraum Trier anzuziehen. Dies überschnitt sich mit der Tatsache, dass wir im Osten des Landes und an der Mosel Projekte bearbeiten, zum Beispiel in Echternach, Born oder Stadtbredimus.
Wer sind Ihre Kunden?
LW: Momentan sind dies zu ca. 65 – 70 Prozent der Staat und die Gemeinden. Beim Rest handelt es sich um Immobilienunternehmer und private Unternehmen.
Sie haben das Thema Partizipation bereits mehrmals erwähnt. Wie würden Sie diese definieren?
LW: Das spielt sich auf verschiedenen Niveaus ab. Die große Überschrift ist die Bürgerbeteiligung bzw. Partizipation verschiedener Interessengruppen. Vor allem im Bereich der Stadtplanung und des Prozessdesigns spielt diese Herangehensweise eine relevante Rolle.
Der Ansatz, möglichst viele Interessensgruppen an der Planung teilhaben zu lassen, setzt sich auch bei Architekturprojekten fort. Bei einem Schulprojekt handelt es sich in diesem Kontext u.a. um die Beteiligung zukünftiger Nutzer des Schulbaus.
Dazu kommt, dass wir mit allen in die Planung involvierten Experten, Verwaltungen, Planungsbüros und beteiligten Firmen dialogisch und wertschätzend zusammenarbeiten. Wir versuchen stets aufmerksam zuzuhören und die angeführten Argumente zu verstehen. Gemeinsam entstehen immer bessere Lösungen.
Schließlich beginnt der partizipative Ansatz bereits im eigenen Büro durch unsere integrative und interdisziplinäre Zusammenarbeit in und unter den Projektteams.
Wie ist die Idee der Partizipation entstanden?
LW: Wir haben in den letzten Jahren in vielen Planungsprozessen festgestellt, dass die Umsetzung solcher Projekte sehr konfliktbeladen sein kann – Streit ist dabei nie förderlich.
Einen Lösungsansatz dazu haben wir in der Mediation als präventive Disziplin gefunden. In diesem Kontext habe ich bereits 2015 eine Ausbildung in der Mediation absolviert. Es geht dabei darum, Konflikten im Vorfeld mittels mediativer Werkzeuge vorzubeugen.
Parallel dazu haben wir damals festgestellt, dass Partizipation in Luxemburg im Planungsbereich schwach vertreten ist, und haben uns daher ganz bewusst in diese Richtung weiterentwickelt. Um dafür eine Lösung zu finden, haben wir uns Partizipationsmodelle im Ausland, zum Beispiel in Deutschland und Österreich, angeschaut.
Wie werden die Leute konkret mitgenommen, z.B. bei der Neugestaltung eines Ortskerns?
MH: Wir überlegen uns am Anfang jedes Projektes detailliert, wer beteiligt werden muss, was in der Beteiligung Thema ist und wie der Prozess strukturiert wird, sowie welche Formate sich für die Beteiligung eignen. Dabei kann es sich um dialogische Beteiligungsformate vor Ort, aber auch um digitale Formate wie Online-Umfragen handeln. Die Reichweite von Beteiligungsprozessen steigt unserer Erfahrung nach erheblich, wenn analoge und digitale Formate miteinander kombiniert werden.
Als Ergebnis werden im Anschluss an die Beteiligung Bürgergutachten erstellt, die später an alle Beteiligten – Bürger, Politik, Planer, Interessengruppen etc. weitergegeben werden.
Sie haben das Thema „reduziertes Konfliktpotential“ angesprochen.
LW: Genau. In dem wir bereits frühzeitig miteinander reden, wird die Akzeptanz eines Projektes wesentlich grösser. Beteiligung heißt dabei für uns gut zuhören aber auch Erklärungen abzugeben, z.B. über die Komplexität bei der Planung und bei den Genehmigungen.
Wie gezielt gehen Sie beim Einladen von Bürgern vor?
LW: Bei klassischen Bürgerbefragungen z.B. bei der Entwicklung von Baugebieten, laden wir möglichst breit ein, mit dem Augenmerk, dass alle Leute aus der Nachbarschaft eingeladen sind. Dann kann jeder, der möchte, mitmachen. Aus Erfahrung kann man sagen, dass wenn etwas in einer Gemeinde besonderes Aufsehen erregt, viele Leute zu den Veranstaltungen kommen.
D.h. Kommunikation ist ein großer Bestandteil Ihrer Arbeit?
LW: Genau. Das ist nicht nur bei unseren Beteiligungsprojekten der Fall. Auch bei Projekten wie z.B. dem Bau der neuen Escher Sporthalle, die viele Auswirkungen auf die Bürger dieses Stadtteils hat, legen wir Wert darauf, dass Bevölkerung gut und regelmäßig informiert wird. Ebenso bei der Neugestaltung der Alzettestrasse in Esch-sur-Alzette, wo die Baustelle vor allem Auswirkungen auf die Geschäftsleute haben wird.
Oftmals wird in den Gemeinden lediglich über ein Projekt informiert, wenn es z.B. um ein Votum des Gemeinderats geht, die Grundsteinlegung stattfindet oder die Einweihung eines Gebäudes. Wir sehen es aber als absolut wichtig an, dass fortlaufend über ein Projekt kommuniziert wird, denn die betroffenen Bürger haben oftmals während dem gesamten Planungsprozess Fragen. Unsere Kommunikationsabteilung macht dabei die entsprechende Kommunikation in enger Zusammenarbeit mit unseren Kunden.
Das Ganze ist eine gewaltige Aufgabe. Gibt es im Partizipationsprozess Hindernisse oder Schwierigkeiten?
MH: Die Beteiligung sollte authentisch sein. Es sollte sich dabei auf keinen Fall um eine Alibi-Beteiligung handeln, bei der es keine reellen Handlungsspielräume gibt, um Planungen zu beeinflussen. Oftmals herrscht außerdem auf Seiten der Bürger Skepsis an der Wirksamkeit von Beteiligungsprozessen vor, aufgrund von fehlendem Vertrauen in die Entscheidungsträger – mit guter Erklärung und Kommunikation schaffen wir es, dies zu ändern.
Eine Herausforderung ist es außerdem, die Teilnahme der Öffentlichkeit im Allgemeinen zu erhöhen und die Beteiligungskultur in der Gesellschaft auszubauen. Zudem sehen wir es als wichtig an, vor allem junge Menschen zu beteiligen.
LW: Ich sehe es vor allem als wichtig, gerade die Altersgruppe der 15- bis 30-Jährigen stärker zu beteiligen. Es sind nämlich genau sie, die mit der realisierten Planung langfristig leben werden. Eine große Herausforderung besteht auch darin, diese über soziale Medien zu erreichen und somit in die Projekte miteinzubinden.
In Gemeinden gibt es gerade zwischen Mehrheit und Opposition viele Reibereien. Trägt Ihr partizipativer Ansatz zu mehr allgemeinem Verständnis der Projekte bei?
LW: Unser Ansatz ist immer der, dass wir die Politik und die einzelnen Kommissionen getrennt von den Bürgern beteiligen. Dadurch vermeiden wir, dass z.B. während einem Bürgerworkshop Politik am Tisch gemacht wird. Das wird allgemein respektiert. Die Information der Politik findet daher vor dem Einbeziehen der Bürger statt. So wird auch sichergestellt, dass die Bürger frei ihre Meinung sagen können.
Aber auch von der Opposition fließen selbstverständlich eine ganze Reihe von Ideen in die Projekte mit ein. Unserer Meinung nach muss ein Projekt robust sein, d.h. es sollte fest in seinen großen Linien und flexibel im Detail sein.
Das verleiht den langfristigen Projekten das notwendige Fundament, um von Regierung und Opposition über mehrere Legislaturperioden gemeinsam getragen zu werden.
Inwiefern sind die Mitarbeiter von WW+ im Bereich der Partizipation geschult?
LW: Alle unsere Mitarbeiter werden jährlich im Bereich der mediativen Kompetenz geschult. Am Anfang steht eine Basisschulung. Bei allen anderen werden die bereits vorhandenen Kenntnisse jährlich aufgefrischt. Mehrere Mitarbeiter haben zusätzlich zudem eine Ausbildung in der Moderation.