Gespannt optimistisch

Die Stauseegemeinde hat am 19. September in Böwen (Bavigne) einen neuen Gemeindebau eingeweiht. Wir haben uns im Vorfeld mit Bürgermeister Marco Koeune über die anstehenden Fusionsgespräche und seine Vision der Gemeinde unterhalten.

 

Es riecht noch alles neu im gerade erst bezogenen Rathaus der Stauseegemeinde. In den Büros stehen Kartons, das Büro des Bürgermeisters wirkt auf den Besucher noch eher wie eine Kunstinstallation als ein richtiger Arbeitsplatz. Doch eines fällt sofort auf : Hier wurde auf repräsentative Inneneinrichtung und sonstigen Schnickschnack verzichtet. Der Raum ist großzügig, hoch und klar – aber unauffällig. « Bescheidenheit ist auch eine Tugend», zitiert Bürgermeister Marco Koeune seinen Amtsvorgänger mit Blick auf das schlichte Design. Keine Prunkmöbel, keine Extras – alle Tische im Haus sind höhenverstellbar, ja, aber die Büros sind gleich. Man verstehe sich hier als Team, nicht als Chefetage.

Doch der neue Gemeindebau ist mehr als nur ein Arbeitsplatz – er ist Symbol eines neuen Selbstverständnisses : ökologisch, transparent, funktional. Und er könnte der erste Baustein für eine tiefgreifende Veränderung sein.

Die Architektur stammt vom Büro Decker, Lammar & Associés / Architecture Hoffmann, ausgewählt über einen Wettbewerb. Der Vorplatz mit Bepflanzung, Sitzgelegenheiten und barrierefreiem Zugang führt außerdem über eine Treppe und einen Aufzug bequem zu dem dahinterliegenden Kulturzentrum aus den 80ger Jahren. Das neue Rathaus der Stauseegemeinde präsentiert sich als ein gelungenes Beispiel für zeitgemäße, nachhaltige Architektur mit starkem regionalem Bezug. Das Gebäude wurde bewusst schlicht, funktional und naturverbunden gestaltet.

Die Fassade kombiniert dunkle Holz- und Metallverkleidungen mit vertikal angeordneten Fenstern. Besonders auffällig ist auch der Einsatz von heimischem Holz, das dem Gebäude nicht nur eine warme Ausstrahlung, sondern auch ökologische Glaubwürdigkeit verleiht. Die vertikale Holzschalung auf Teilen der Fassade erinnert an die natürliche Umgebung der Region – insbesondere die ausgedehnten Wälder rund um den Stausee. Das Gebäude ist dreigeschossig, mit einem klar strukturierten Grundriss. Große Fensterflächen sorgen für viel Tageslicht im Inneren, während ein überdachter Eingang und offene Treppenbereiche Transparenz und Bürgernähe symbolisieren.

Rund 9 Millionen Euro hat das neue Gebäude gekostet, gefördert durch das Innenministerium mit 45% Bezuschussung (Circulaire n°2025-054) sowie durch Beiträge (z. B. für Erdwärmenutzung & Photovoltaik). Das Rathaus ist nachhaltig konzipiert : gebaut mit teilweise Holz aus den eigenen Gemeindewäldern. Sichtholz aus heimischen Douglasien ziert die Wände im Sitzungssaal, schallgedämmt mit Schafwolle. Beheizt wird der Gemeindebau in Böwen mit Erdwärme – ganz ohne Klimaanlage. Auf dem Dach : Photovoltaik. Der Gemeindeförster hat hier ebenso ein Büro wie das Technikerteam – Verwaltung, Natur und Planung unter einem Dach.

In Böwen erhält aber demnächst auch das Kulturzentrum ein Facelifting : bessere Isolation, barrierefreie Sanitäranlagen, moderne Technik – geeignet für Musik, Theater, kommunale Veranstaltungen, Familienfeste und Versammlungen.

Politisch steht ein weiteres großes Thema an : Die mögliche Fusion mit der Nachbargemeinde Bauschleiden (Boulaide). Der Gemeinderat hat mehrheitlich beschlossen, diesen Herbst Sondierungsgespräche zu starten. « Unser Ziel ist es, ein Referendum noch vor den nächsten Gemeindewahlen abzuhalten », so Koeune. Vielleicht könnten dann schon die nächsten Wahlen im Fusionsmodus stattfinden, hofft er.

Dabei soll ehrlich geprüft werden, was möglich und sinnvoll ist. « Es geht nicht darum, in jedem Dorf ein Kulturzentrum zu bauen. Es geht um Synergien innerhalb der Region, Weitsicht statt Kirchturmpolitik », so Koeune. Auch eine Fusionsbegleitung u.a. mit der « Cellule indépendante fusions communales (CIFC) », im engen Austausch mit dem Innenministerium wird angestrebt.

Die Gemeinde setzt auf Kooperation in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Obersauer. Z.B. wurde rezent ein Pakt zum interkulturellen Zusammenleben in Liefringen am Stausee in Präsenz vom Familienminister Max Hahn mit den sechs Gemeinden rund um den Stausee zusammenarbeiten unterschrieben.

Der Stausee prägt die Region – als Naherholungsgebiet und Trinkwasser speicher für das Land. Die neu ausgewiesene Schutzzonen bringten jedoch Einschränkungen für die Landwirtschaft. Deshalb wurde bereits in 2015 die « Landwirtschaftlech Kooperatioun Uewersauer » (LAKU) gegründet, mit dem Ziel Trinkwasserschutz und wirtschaftliche Landwirtschaft unter einen Hut zu bekommen. LAKU, deren Vorsitzender auch Marco Koeune heißt, mit seinen rund 100 Mitgliederbetrieben setzt sich für eine wasserschonende landwirtschaftliche Praxis ein, ohne hierbei wirtschaftliche Nachteile für die landwirtschaftliche Betriebe zu erhalten.

Die Planungen des Abwassersyndikat SIDEN sind in Ausarbeitung, um die Abwässer der Ortschaften Harlingen, Walter (Watrange) und Tarchamps über eine Druckleitung in eine moderne Kläranlage nach Wiltz zu leiten. Das Projekt wird um die 9 Millionen Euro kosten. Ziel : So wenig Belastung wie möglich für den Stausee. Gespart wird bereits über den « apport au capital », also Kapitalbeiträge an die zuständigen Strukturen.

Bereits in 2024 konnten die Kinderkrippe (« Crèche Stauséi ») in Harlingen ihre Pforten öffnen. In enger Zusammenarbeit mit ARCUS können insgesamt 56 Kinder – 24 Kinder unter 2 Jahre und 32 Kinder zwischen 2 und 4 Jahre betreut werden. Kostenfaktor : rund 4 Millionen Euro mit angrenzendem Spillplatz. Die Stauseegemeinde sieht sich als « service provider » und will auf die Bedürfnisse seiner Bürger eingehen.

Mit dem neuen « Centre médical » in Nothum, das eine Apotheke, Allgemein- und Fachärzte sowie ein Labor umfasst, will die Gemeinde den ländlichen Raum stärken. Die Bauarbeiten schreiten gut voran und in aller Voraussicht wird das medizinische Zentrum ab Herbst 2026 seine Türen öffnen. « Es war keine Obligation für die Gemeinde eine solche Investition um die 8 Millionen zu tätigen, -aber eine Notwendigkeit », so Bürgermeister Koeune, um den Anforderungen einer wachsenden Bevölkerung Rechnung zu tragen.

Beim Wohnen bleibt die Gemeinde aktiv : Bürger können Baugrundstücke der Gemeinde in Nothum bereits für 38.000 Euro pro Ar erwerben – davon kann man anderenorts nur träumen. Angedacht sind auch neue Wohnformen: Tiny Houses, WGs, für jüngere Menschen, die sich erst noch finden, aber auch für Alleinerziehende oder Menschen, die in ihrem Leben eine Übergangsphase durchlaufen. « Die letzten Jahre waren ruhig im Wohnbau. Jetzt geht’s weiter – aber rationaler », so Koeune.

In Kaundorf entsteht mitten in der Ortschaft, auf einer neu erworbenen Fläche « Am Bongert », ein Jugend-Hub, wo sich junge Menschen treffen, Sport treiben und Spass haben können. « Unsere Jugend ist aktiv. Viele studieren im Ausland, kommen aber gerne zurück » sagt Koeune. Ein digitales Tool – eine elektronische Pinnwand per App – soll jungen Leuten ermöglichen, ihre Ideen einzubringen, egal wo sie gerade sind.

Die Region setzt auf Natur und Qualität : Kajak, Wandern, Radfahren, Camping – drei Plätze gibt es bereits, dazu Wanderwege in Kooperation mit ANF und CIGR. Im Sommer boomt die Region, im Winter ist es ruhiger. Geplant ist ein interaktives nationales Wassererlebniszentrum, das dem hohen Stellenwert einer Wasserregion gerecht werden kann, so Marco Koeune.

Die Gemeinde erinnert auch an die Geschichte : Z.B. : Das Interreg-Projekt « Land of Memory », ein grenzübergreifendes gedenktouristisches Angebote zum Gedenken an das menschliche Leid, besonders während der Ardennenoffensive. Am Schumannseck wurde zusammen u.a. mit den Schülern des Lycée du Nord aus Wiltz (LN) ein pädagogisch wertvollen Lehrpfad mit mannshohen Silhouetten realisiert. Das Projekt trägt zum Erhalt des kulturellen und natürlichen Erbes, aber auch zur Aufwertung des Wissens, der Geschichte und des Kollektivgedächtnis der Region bei.

« Gerade in der heutigen volatilen Zeit wird Erinnerung alleine nicht reichen, -sondern Engagement », so Bürgermeister Koeune und unterstrich dass die « Geschichtsfrënn Uewersauer » im letztjährigen Winter eine interessante Ausstellung zum Thema in Nothum organisiert hatten, die visualisiert wurde und jederzeit auf der Internetseite der Gemeinde aufgerufen werden kann. Auch wurde in der Ortschaft selbst ein neuer innovativer Lehrpfad mit informeller Beschilderung installiert.

Noch ist die Gemeinde vor allem Wohnstandort. Viele pendeln nach Luxemburg-Stadt, in die Nordstad oder nach Wiltz. Doch am Schumannseck soll gemeinsam mit den Nachbargemeinden eine regionale Wirtschaftszone entstehen – mit Arbeitsplätzen vor Ort. Arbeit, Wohnen, Leben und Freizeitgestaltung sollen eng verbunden sein. Das Vereinsleben wird in der Stauseegemeinde groß geschrieben. « Wir sind stolz keine Schlafgemeinde zu sein », so Koeune in seinen Ausführungen. Z.B. zählt der FC Greenboys Harel 77 zu den größten Sportvereinen der Region mit über 180 Jugendspielern. « Team Building, Fairplay, Toleranz und Respekt sind die Werte auf die es ankommt », so Koeune. Auch Tischtennis (DTC Kaundorf), Musik (Harmonie Harlange) und andere Vereine sind aktiv.

Die Feuerwehr – der CIS Lac – ist gut ausgestattet : ein neues modernes Löschfahrzeug (LF2) ein Eisatzfahrzeug (DIW1) sowie ein Boot (RTB2) wurden im Frühjahr in Präsenz von Innenminister Léon Gloden eingeweiht. Zudem steht ein Unimog bereit, um im Ernstfall z.B. bei Waldbrand einsatzbereit zu sein. Die Trockenheit der letzten Jahre zeigt, wie wichtig schnelles Handeln ist. Neben einem modernen Fuhrpark benötige man allerdings auch adäquate Gebäulichkeiten sowie eine gute Logistik.

Das neue Rathaus ist Symbol eines neuen Selbstverständnisses : ökologisch, bürgernah, zukunftsorientiert. Die Gemeinde zeigt sich offen für Neues, ohne den ländlichen Charakter zu verlieren. Mit Blick auf die Fusion gibt sich Bürgermeister Koeune « gespannt optimistisch ». In die Gespräche gehe er jedenfalls « mit einem guten Gefühl ».

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