Modularer Holzbau als Zukunftsmodell für nachhaltiges Bauen
Pascal Quinten ist Architekt bei der Luxemburger Vertretung von Blumer Lehmann in Grevenmacher. Über die Jahre hat sich das Schweizer Unternehmen als Vorreiter für nachhaltiges Bauen auf dem Markt etabliert.
Der Bausektor steht heute vor gewaltigen Herausforderungen : Ressourcenverbrauch, CO2-Emissionen und starre Nutzungskonzepte sind nur einige der Probleme, die ein Umdenken erfordern. Die Antwort liegt in der Kreislaufwirtschaft und der modularen Bauweise. Ein herausragendes Beispiel liefert das Schweizer Unternehmen Blumer Lehmann mit einem modularen Holzbauwerk, das seit 2014 über drei Standorte und Nutzungen hinweg immer wieder neu zum Leben erweckt wurde – ein lebendiges Plädoyer für Nachhaltigkeit und Wandel im Bauwesen.
« Wir müssen lernen, Gebäude nicht nur als Immobilie, sondern als Materiallager der Zukunft zu begreifen », sagt Architekt Pascal Quinten, der das Projekt in Luxemburg betreut hat. Das Bauwerk wurde 2014 als temporäres Bergrestaurant auf über 2.200 Metern Höhe am Chäserrugg in der Schweiz errichtet. Dort diente es als Interimslösung während der Bauzeit eines neuen Gipfelgebäudes, das von Herzog & de Meuron entworfen wurde. Die drei Holzmodule wurden aus PEFC-zertifiziertem Fichtenholz gefertigt und komplett vorgefertigt. « Der reversible Aufbau ermöglichte eine spätere Demontage ohne Substanzverlust », erklärt Quinten. Nach fünf Jahren Nutzung wurden die Module per Seilbahn ins Tal transportiert – ein erster Beweis für einen flexiblen und CO₂ – reduzierten Materialkreislauf.
In der zweiten Phase erhielt das Gebäude im großherzoglichen Moutfort, ein zweites Leben als Büro für FAT Architects
S.à r.l. Die Module wurden in der Werkhalle von Blumer Lehmann überarbeitet und für die neue Nutzung vorbereitet. « Der Aufbau am neuen Standort erfolgte binnen eines Tages – dank hoher Vorfertigung und digitaler Planung », berichtet Quinten. Das Büro bot Platz für vier Arbeitsplätze, einen Besprechungsbereich und eine Küchenzeile. Die minimalen Anpassungen an der Konstruktion zeigen das enorme Potenzial modularer Wiederverwendung : « Kein Bauschutt, keine Neubeschaffung, sondern Weiterverwertung mit maximalem Nutzen », so Quinten.
Seit 2024 steht das Gebäude in seiner dritten Nutzungsphase als Wohnhaus in Esch-sur-Sûre. Im Erdgeschoss wurde der ehemalige Besprechungsraum in ein Schlafzimmer mit Duschbad umgewandelt, während im Obergeschoss ein wohnlicher Ess- und Wohnbereich entstand. « Das Gebäude behält trotz der verschiedenen Nutzungen seinen Charakter und die Materialität », sagt Quinten. Auch hier war der Eingriff minimal, was nicht nur Materialschonung bedeutet, sondern auch die ästhetische Nachhaltigkeit unterstreicht.
Das Beispiel zeigt, wie modulare Holzbauwerke flexibel auf neue Lebensphasen und Nutzerbedürfnisse reagieren können. Es ist ein Modellprojekt für circular building : Statt Abriss und Neubau stehen Wiederverwendung und Anpassung im Vordergrund.
Die Filiale von Blumer Lehmann in Grevenmacher lebt diesen Ansatz täglich. « Man hatte im Zuge der Wiederaufstellung die Fassade nochmal gestrichen », erzählt Quinten. « Dies war aus gestalterischen Gründen ein Wunsch des Bauherrn. Aus Holzschutzgründen wäre es nicht notwendig – jetzt sieht’s aus wie neu ».
Der Standortwechsel erforderte keine baulichen Veränderungen. Während das Gebäude in Moutfort aufgeständert war, wurde es in Esch-sur-Sûre dauerhaft im Boden mit einer 30 Zentimeter Umlüftung eingelassen. Somit konnte auf eine Zugangstreppe, wie beim Standort in Moutfort verzichtet werden – « ein cleverer Schachzug, um Ressourcen zu sparen », so Quinten.
Innen wurde nur geringfügig, aber effizient umgebaut: Im ehemaligen Technikraum entstand eine Nische für den Waschtisch. Ergänzt wurde eine 3-seitig verglaste Dusche. Gardinen wurden als Sichtschutz zwischen Duschbad und Schlafbereich hinzugefügt. Das WC unter der Treppe und die Küche im Obergeschoss blieben unverändert. Die Elektro- und Heizungsinstallation wurden zukunftsorientiert verlegt, sodass ein späterer Wechsel des Heizsystems problemlos möglich ist. « Das ist ein Ein- bis Zwei-Personen-Haushalt auf 75 Quadratmetern, verteilt auf drei Module – ein gutes Beispiel, wie flexibel und kompakt modularer Wohnraum sein kann », unterstreicht Quinten.
Die modulare Bauweise ist bei Blumer Lehmann kein kurzfristiger Trend, sondern gelebte Praxis. In der Schweiz werden Schulmodule nach Ablauf der Mietzeit von einer Schule zur nächsten versetzt, anstatt neu zu bauen. Die Stadt Zürich etwa nutzt dieses Prinzip mit einem Konzept : Während des Sanierungszeitraums von Bestandsgebäuden werden Schulmodulbauten temporär auf Schulhöfen genutzt, abgebaut und anschließend an anderer Stelle wieder aufgestellt. Auch in Luxemburg wurden bereits zahlreiche nachhaltige, temporäre oder dauerhafte Erweiterungsbauten in Holzmodulbauweise realisiert worden. Zum Beispiel in Mondorf, Dudelange, Ettelbrück und Dalheim.
Für Blumer Lehmann ist der hohe Vorfertigungsgrad entscheidend : « Die Module kommen mit Fenster, fertiger Fassade, Innenwänden und Decken inkl. Leuchten fertig ins Land. Ausbaugewerke wie Maler oder Elektriker arbeiten im jeweiligen Werk sowie vor Ort regional weiter », erklärt der Architekt. Am Schweizer Standort wird das Restholz aus der Produktion zu Pellets, Kleintierstreu verarbeitet oder wird direkt im eigenen Kraftwerk zur Energie- und Wärmeerzeugung verwendet. Das Unternehmen hat sich als echtes Kreislaufunternehmen positioniert – geführt von Katharina Lehmann in fünfter Generation.
Ein weiterer Schlüssel für zukunftsfähiges Bauen ist die digitale Nachverfolgung der Bauteile. « Digitale Tools zur Produktverfolgung ermöglichen eine präzise Dokumentation von Herkunft, Zustand und Umbaupotenzial », erläutert Quinten. « Das ist essenziell für die Wiederverwendung von Bauelementen. Mit Modulen geht das noch einfacher, weil der gesamte Raum als Einheit versetzt wird. », sagt Quinten
Die Konstruktion setzt auf konstruktiven Holzschutz ohne chemischen Anstrich. Regenwasser tropft über geneigte Brettschichten einfach ab, dauerhafte Feuchtigkeit wird vermieden. So bleibt die Fassade dauerhaft geschützt und schön.
Das Beispiel von Blumer Lehmann zeigt eindrucksvoll, dass circular building machbar ist – mit Holz, Weitblick und Verantwortung. Es ist ein Modell für die Zukunft des Bauens: flexibel, nachhaltig und ressourcenschonend. Und vor allem eines : lebendig.